Das «Experiment» am Freitag

Montag 24. März 2003, Sense

Konzert von Bo Wiget in Bad Bonn

Im Bad Bonn war am Freitagabend ein altbekannter Gast geladen. Der Schweizer Jazz-Cellist Bo Wiget machte mit seinem neuen Projekt «verboten is» Weltpremiere. Für den Laien verquer, für den Kenner virtuos? Solche Pauschaleinschätzungen liegen bei dieser Musik nicht drin.

«Zur Begrüssung wird einem gleich mal das Trommelfell zertrümmert. Ja, das ist aber nett», wird der Nichtsahnende nach den ersten Akkorden gedacht haben. Was man gerne für ein etwas schräges Intro gehalten hätte, war der Einstieg in eine dreiviertelstündige Vereinnahmung sämtlicher akustischer Aufnahmebereitschaft. Zurücklehnen und geniessen ausgeschlossen.

Obwohl das Publikum nicht allzu zahlreich erschienen war, und man somit eigentlich jedem mutigen Konzertbesucher die Füsse hätte küssen müssen, sahen Bo Wiget (Cello), Marino Pliakas (Bass) und Lucas Niggli (Drums) keinen Grund zum Erbarmen. Jedes musikalische Moment, in dem der Zuschauer etwas ihm Bekanntes zu hören glaubte, jede Ahnung von Rhythmus oder Melodie, wurde sogleich wieder durchbrochen mit einem unergründlichen Dröhnen oder Krachen, das den Zuschauer jeder Hoffnung auf eine Möglichkeit sich «an etwas in der Musik festzuhalten» (Bo Wiget) von Anfang an beraubte. Und wie lautet nun die Botschaft? «Diese lautet, heute, am 22. März 2003, make noise not war», meinte Bo Wiget mit einem breiten Lachen. - Abgedroschene Antwort auf abgedroschene Frage. - Und doch erschien dieser Wortwechsel irgendwie notwendig und auch vielsagend. Denn was bringt einen erstklassigen Musiker dazu, plötzlich «Lärm» zu machen? Berechtigte Frage, oder? Es geht darum «konventionelle Hörgewohnheiten» zu durchbrechen. Wer «Lärm» hören will, legt am besten all seine vorgefertigten Vorstellungen von Musik ab und macht sich bereit für das «Experiment». «Wach bleiben und sich wach hören» soll das Publikum mit der Musik von Bo Wiget und seinen Mitstreitern. Und obwohl sie beim Ausleben ihrer Bestimmung irgendwie den Eindruck erwecken, dieser Welt völlig entrückt zu sein, scheinen sie doch noch einen gewissen irdischen Kontakt aufrechtzuerhalten. Ob sie jemanden mit ihrer Musik erreichen, spüren sie, und auch für ein paar wenige lohnt sich die Mühe. Hier im Senseland hatte Bo Wiget schon einiges an Vorarbeit geleistet, während seiner Zeit in diesen Breitengraden, denn den meisten waren seine experimentellen Exzesse wohlbekannt. Veranstalter Daniel Fontana zeigte sich ebenfalls eher beglückt als bedrückt. Trotz der Tatsache, dass die Kassen an diesem Abend nicht so richtig klingeln wollten. Wo gibt es heute noch so edle Seelen, die der Kultur Raum bieten, sich frei von jeglicher Marktorientierung weiterzuentwickeln? «Frei» ist wohl das Schlagwort des Abends. Improvisiert, experimentell, befreiend unkonventionell. Besonders in diesen Tagen eine ungewöhnliche Erfahrung. eb