Montag 1. Juli 2002, Sense

Eine Perle in der Festival-Landschaft

Bad-Bonn-Kilbi: Gut besucht und Spezielles geboten


Die Bad-Bonn-Kilbi ist, an ihrem Programm gemessen, ohne weiteres mit grösseren Openairs zu vergleichen. Obwohl besser besucht als vergangene Male, behält sie aber ihren familiären Anstrich und den Ruf eines Insider-Festivals.

Von OLIVER SCHNEITTER

Schlussendlich kannte fast jeder jeden im Bad Bonn; auch bei über 2000 Besuchern fühlte man sich noch wie unter Freunden. Kein Wunder, schliesslich waren auch lauter gut gelaunte Musikliebhaber da, die nichts wollten ausser niveauvolle Unterhaltung.

Favez' dröhnende Gitarren

Und dafür ist die Bad-Bonn-Kilbi ein Garant. Das dreitägige Programm war ausgewogen und dennoch einem breiten Geschmack entsprechend. Die drei Abende von Donnerstag bis Samstag waren - mit Ausnahmen - relativ klar charakterisiert.

So stand der Donnerstagabend klar im Zeichen der dröhnenden Gitarren, und jene wurden vor allem von einer Band dominiert: «Wir sind Favez aus Lausanne und spielen heute Abend ein bisschen Rock», kündigten sich die Shooting Stars aus der Romandie an. Im Ausland schon Stars, sind Favez mit ihren englischen Texten sowohl in der Welsch- als auch in der Deutschschweiz in den letzten Jahren von einer guten Supportband zu einer Band mit Headlinerformat gewachsen. Damit stahlen sie sogar den New Yorkern «Rival Schools» die Show, die danach auftraten.

Züri West mit Charme und WM-Fieber

Erwartungsgemäss konnte der gitarrenlastige Donnerstag bezüglich Zuschauerzahlen mit dem Freitag nicht mithalten. Krachende Gitarren traf man kaum mehr an, vielmehr waren es schnörkellose, sanfte Popsongs, teilweise mehr zum Hören als zum Tanzen, die ein breiter gestreutes Publikum anzuziehen vermochten.

Neben Cat Power, die als Eröffnung beim Unterhaltung erwartenden Publikum etwas gar untergingen, den Zürcher Pop-Frauen von Rosebud, die auch eher mit den langsameren Stücken glänzten, welche viel Raum für die drei Frauenstimmen liessen, wartete man vor allem auf Kuno und seine Mannschaft, die sich ganz im Zeichen der WM präsentierten. Zwei Stücke wurden dem türkischen Team gewidmet, und die Ehrenbekundungen via Samples für Goalie Rüstü zogen sich wie ein roter Faden durchs Konzert. Der Höhepunkt des Festivals, musikalisch wohl nicht unbedingt der Überraschendste, endete um knapp 2 Uhr morgens. Für manchen Besucher war damit das Festival wohl auch beendet, denn erfahrungsgemäss sei der Samstag nie enorm besucht, liess die Festivalleitung verlauten. «Gustav & The Electric Noise Club», die überragenden Lokalmatadoren, waren es jedoch, die dem Samstag einen die letzten Jahre übertreffenden Zuschauerrekord bescherten. Sichtlich überrascht war ein grosser Teil des Publikums, der sich wohl noch in der Süden/Ferienstimmung des letzten Albums wähnte, als Gustav mit neuen Rockkrachern über die Bühne fegte. Anfangs noch etwas verhalten, stieg das Publikum aber auch auf seine neuen Nummern ein; die grösste Begeisterungswelle vermochten dann aber doch alte Hits wie «Hau ab» auszulösen.

Frenetischer Abschluss mit Disco-Punk

Da hatten «Yeah!» aus Deutschland einen schwierigen Stand; viele verliessen das Festival nach Gustav, nicht ahnend, was sie damit versäumten. Denn Yeah! setzten dem Festival wahrhaft die Krone auf in Sachen Innovativität und Tanzbarkeit zugleich.

Viele verschiedene Acts auf der Haupt- und der Nebenbühne erfrischten oder ermüdeten mit Verbindungen zwischen konventioneller Instrumentierung und Elektro-Beats, Yeah! aber brachten mit ihren trocken gerappten Zeilen, mit schnellen, treibenden Scratcheinlagen, Schlagzeug und dröhnendem Bass und Gitarre die verbliebene Menge nochmals richtig zum Tanzen. Als eine Mischung zwischen «Le Tigre» und Fatboy Slims «Rockaffeller Skunk» lassen sie sich wohl am ehesten bezeichnen; einfache, verzerrte Akkorde mit Sprechgesang und viel Elektronik, endlos wiederholt, liessen dem Zuhörer keine Wahl. Da musste einfach getanzt werden, bis nichts mehr kam, weil die Organisatoren sich fast gezwungen sahen, den Strom abzustellen, so oft wurden Yeah! vom Publikum aufgefordert, ihre Songs nochmals zu spielen.